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Geheimer Operationsplan Nato rüstet sich für zweite Corona-Welle

Als die Coronakrise Europa und die USA erfasste, musste sich die Nato erst mal sortieren. Nach SPIEGEL-Informationen will Generalsekretär Stoltenberg nun schnell für eine zweite Infektionswelle vorsorgen.

 

Von Matthias  Gebauer und Peter  Müller

02.05.2020, 11.29 Uhr Spiegel Online

 

Bundeswehr-Soldaten entladen Schutzkleidung: Militärallianz Nato bereitet sich auf zweite Corona-Welle vor.

Die Nato befürchtet eine zweite Corona-Welle im Herbst dieses Jahres. Nach SPIEGEL-Informationen beschlossen die Botschafter der Allianz in der vergangenen Woche in geheimer Runde mit Generalsekretär Jens Stoltenberg, deswegen umgehend einen militärischen Operationsplan auf den Weg zu bringen. Damit will das Militärbündnis besser auf einen erneuten Ausbruch des Virus vorbereitet sein und betroffene Nato-Partner effizienter unterstützen können.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg

Der Operationsplan soll unter der Ägide des Nato-Befehlshabers, US-General Todd Wolters, entstehen. Von Nato-Diplomaten heißt es, das Bündnis müsse sich besser wappnen. Die Gefahr durch Viruspandemien habe man bisher zu wenig ins Visier genommen. Deswegen soll neben dem Operationsplan für eine drohende zweite Corona-Welle im Herbst auch ein eigener, langfristiger "Pandemic Response Contingency Plan" entstehen.

Stoltenberg macht bei dem Corona-Operationsplan Druck. Geht es nach ihm, soll ein erstes Papier schon bei den nächsten Beratungen der Verteidigungsminister Ende Juni vorliegen und beschlossen werden. Im geheimen Nato-Rat mit den Botschaftern sagte Stoltenberg, eine besser abgestimmte Reaktion auf eine zweite Corona-Welle sei ein Lackmustest für die Glaubwürdigkeit und den Zusammenhalt innerhalb der Allianz. Den zweiten, großflächigen Pandemieplan für die Allianz zu erarbeiten, wird dagegen länger dauern.

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Etwas frustriert hatte der Nato-Chef beobachten müssen, dass die Allianz auf die Corona-Pandemie alles andere als gut vorbereitet war. Das betraf nicht nur die Auswirkungen auf Nato-Einsätze wie die Beistandsmission "Enhanced Forward Presence" in Litauen oder die Mission im Kosovo. Dort erkrankten mehrere Soldaten - auch von der Bundeswehr - an Covid-19.

Den Militärs fehlten auch Konzepte für militärische Unterstützungsleistungen. Stattdessen kam es zu Alleingängen der Mitglieder. Ein Beispiel sind militärische Hilfsflüge oder Transporte von Corona-Kranken. Die Maschinen konnten erst nach langen Wirrungen in einem vereinfachten Verfahren mit einem einheitlichen Nato-Callsign über Europa fliegen - ohne einzelne Genehmigungen.

Ähnliche Vereinfachungen will Stoltenberg auch für eine zweite Corona-Welle vorbereiten. So schwebt dem Generalsekretär die gemeinsame Beschaffung von Schutzmaterial und Medikamenten über die "Nato Support and Procurement Agency" (NSPA) vor. Oberbefehlshaber Wolters soll dazu in den nächsten Wochen nicht nur eine strategische Bewertung, sondern auch schon ein Papier mit "military response options" vorlegen.

Nach Informationen des SPIEGEL hatte die Nato zunächst erwogen, lediglich einen umfassenden Pandemieplan zu erarbeiten. Weil das aber länger dauert und die Militärs eine zweite Corona-Welle für denkbar erachten, soll nun rasch ein Operationsplan für dieses Szenario beschlossen werden. Für die sonst recht träge Allianz ist der Zeitplan für so ein Papier, in dem die Mitglieder auch ihre Beiträge benennen müssten, sehr ambitioniert.

Die Ausarbeitung des Operationsplans steht noch am Anfang. Laut Nato-Diplomaten soll es beispielsweise um Logistik, Transportwege oder den Aufbau von Feldlazaretten für Covid-19-Kranke gehen. Um ihn im Falle einer zweiten Welle zu aktivieren, bräuchte es dann nur noch eine Entscheidung des Nordatlantikrats.

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Am 31. Dezember wandte sich China erstmals an die Weltgesundheitsorganisation (WHO). In der Millionenstadt Wuhan häuften sich Fälle einer rätselhaften Lungenentzündung. Mittlerweile sind mehr als zwei Millionen Menschen weltweit nachweislich erkrankt, die Situation ändert sich von Tag zu Tag. Auf dieser Seite finden Sie einen Überblick über alle SPIEGEL-Artikel zum Thema.

Intern hat Generalsekretär Stoltenberg eine Art Acht-Punkte-Plan vorgelegt, was die Militärs in den nächsten Wochen ausarbeiten sollen. Fast alle Wünsche betreffen eine bessere Zusammenarbeit unter den Nato-Partnern, vereinfachte Verfahren für militärische Unterstützungsleistungen - aber auch eine Vereinheitlichung im zivilen Katastrophenschutz. Für ihn gibt es allein in Europa sehr viele verschiedene Konzepte.

Die Aktivitäten Stoltenbergs illustrieren, dass der Generalsekretär die Coronakrise keineswegs nur als medizinisches Problem sieht. Ähnlich wie die EU muss auch der Nato-Chef fürchten, dass die Alleingänge einzelner Mitgliedstaaten oder die harschen Beschuldigungen durch US-Präsident Donald Trump den Zusammenhalt der Allianz untergraben.

Schon jetzt beobachten Diplomaten mit Sorge, dass Widersacher der Allianz wie China oder Russland die Zerrissenheit der Nato zu nutzen versuchen. So schickten Peking und Moskau zu Beginn der Krise unbürokratisch Hilfe nach Italien oder Luxemburg. In internen Papieren der Bundesregierung heißt es dazu nüchtern, Nato und EU hätten in dieser Phase nicht gut ausgesehen, da sie für ihre Hilfen viel zu lang gebraucht hätten.

 

Nato-Treffen im Dezember 2019: Wirtschaftseinbruch könnte militärische Schlagkraft gefährden

Langfristig ist für die Allianz zudem der Wirtschaftseinbruch in der Coronakrise ein Problem. Nato-Diplomaten gehen davon aus, dass fast alle Mitglieder ihre ambitionierten Ziele zur Steigerung der Verteidigungsausgaben nach unten korrigieren müssen. Aus den skandinavischen Staaten kommen schon entsprechende Signale. Spätestens dann wäre nicht nur der Zusammenhalt, sondern auch die militärische Schlagkraft der Nato in Gefahr.

Die Debatte über die Anhebung der Verteidigungszahlungen hatte in den vergangenen Jahren immer wieder zu Streit zwischen US-Präsident Trump und europäischen Nato-Verbündeten wie vor allem Deutschland geführt.

Es gibt also mehr als genug Themen für die Beratungen der Verteidigungsminister im Juni. Eigentlich sollte das Treffen in Albanien stattfinden. Wegen der Coronakrise aber werden sich die Minister vermutlich über eine sichere Videoleitung zusammenschalten, hieß es im Nato-Hauptquartier in Brüssel.

 

 

 

 

RND: Herr Mützenich, die Bundesregierung will Werkverträge in Fleischfabriken verbieten, um Arbeiter besser zu schützen. Ist es nicht beschämend, dass es dafür eine Pandemie gebraucht hat?

Das Verbot von Werk- und Leihverträgen ab dem 1. Januar 2021 ist ein echter Durchbruch. Die nun vereinbarten Eckpunkte für strengeren Arbeitsschutz in der Fleischindustrie werden das Leben von Zehntausenden Beschäftigten deutlich verbessern. Aber ich gebe zu: Ohne den großen öffentlichen Druck, der durch die Covid-19-Ausbrüche in mehreren Schlachthöfen entstanden ist, wäre unser Verhandlungserfolg nicht möglich gewesen.

Sollte der Schutz von Arbeitskräften vor Ausbeutung nicht auch in normalen Zeiten eine Selbstverständlichkeit sein?

Die SPD hat immer für menschenwürdige Arbeitsverhältnisse gekämpft. Aber wir bilden keine Alleinregierung. Zur Wahrheit gehört, dass die Union über Jahre vieles verhindert hat, was sinnvoll gewesen wäre. Auch jetzt gab es den Versuch, schärfere Regeln für Schlachthöfe zu torpedieren. Aber dieses Mal waren die öffentliche Aufmerksamkeit und der Druck zu groß.

Auch in anderen Wirtschaftszweigen, etwa dem Handel oder dem Gesundheitswesen, werden Werkverträge missbraucht, um Stammbelegschaften zu verkleinern und Tarifstandards zu unterlaufen. Warum verbieten sie die nicht gleich mit?

Wir kümmern uns jetzt um die Fleischindustrie. Aber das Ziel ist klar: Ich will, dass der Missbrauch von Leih- und Werkverträgen in allen Bereichen der Wirtschaft verboten wird. Die SPD wird weiter Druck machen, und ich hoffe, dass auch der Druck der Öffentlichkeit hoch bleibt. Für die Ausbeutung von Arbeitskräften darf es in unserer Gesellschaft keine Toleranz geben.

Bislang gibt es nur einen Eckpunktebeschluss. Im Gesetzgebungsverfahren gibt es noch viele Angriffspunkte für Lobbyisten. Wie groß ist Ihre Sorge, dass die Regeln verwässert werden?

Für die SPD-Bundestagsfraktion kann ich garantieren, dass wir die Eckpunkte in ihrer jetzigen Form durch den Bundestag bringen wollen. Aber ich rechne mit Widerstand durch die Unionsfraktion. Die Auseinandersetzung darüber werden wir führen. Die Menschen müssen sich dann eine Meinung darüber bilden, welche Partei eher die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vertritt. Übrigens hat man das gerade erst beim Thema Lohnfortzahlung für Eltern gesehen, die wegen der Corona-Krise ihre Kinder zu Hause betreuen müssen.

Tatsächlich? Nach außen wirkte es so, als denke das SPD-geführte Arbeitsministerium über ein Auslaufen der Lohnfortzahlung nach, während CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer und CSU-Chef Markus Söder eine Verlängerung gefordert haben.

Ich bitte Sie! Jeder weiß, dass die SPD die treibende Kraft hinter dem Vorschlag war, die Lohnfortzahlung auf zehn Wochen je Elternteil zu verlängern. Dass sich am Ende auch die Spitzen der Union dem Vorschlag angeschlossen haben, freut mich – aber man muss leider für alles, was den normalen Leuten zukommen soll, mit der Union kämpfen. Dass die Verlängerung jetzt kommt, ist für viele Eltern eine gute Nachricht.

Streit mit der Union ist ja inzwischen ihr Täglich Brot. Auch bei der SPD-Forderung nach einer Entschuldung der Kommunen sagen CDU und CSU nein.

Diese Festlegung hielte ich für einen schweren Fehler. Gerade jetzt brauchen wir finanziell starke Städte und Gemeinden, die mit ihrer Auftragsvergabe die Wirtschaft vor Ort ankurbeln und sich um bedürftige Menschen kümmern können. Man muss wissen: Geld für die Kommunen bedeutet Geld für Schwimmbäder, Spielplätze, Theater, Schulen – das heißt es geht dabei um Investitionen und sehr konkret um den Alltag der Menschen. Durch die Krise werden diese Aufgaben eher größer als kleiner. Für eine Wiederbelebung der Wirtschaft brauchen wir finanziell handlungsfähige Kommunen. Einem Konjunkturpaket ohne Altschuldenregelung für überschuldete Städte und Kompensationen der Gewerbesteuerausfälle würde die entscheidende Substanz fehlen.

Was muss das Konjunkturpaket sonst noch enthalten?

Aus meiner Sicht müssen alle Teile eines Konjunkturpakets zwei Ziele verfolgen: Sie müssen die Kaufkraft stärken, besonders die Kaufkraft der Familien. Und sie müssen die soziale und ökologische Transformation unserer Wirtschaft vorantreiben, damit wir auch in Zukunft international wettbewerbsfähig sind. Ein früherer Termin für die geplante Abschaffung des Soli wäre ein starkes Signal an die arbeitende Mitte in unserem Land und ein kräftiger Effekt für die Binnenwirtschaft gewesen. Meine Fraktion hat das Thema immer wieder platziert. Leider hat die Union diesen wuchtigen Impuls verhindert. Jetzt wollen wir bei der Entlastung gezielt die Familien mit Kindern ins Zentrum stellen. Ich bin dafür, wie bei dem Konjunkturprogramm 2008/2009, mit einer Einmalzahlung zum Beispiel über das Kindergeld von mindestens 300 Euro pro Kind Familien zu unterstützen. Bei den staatlichen Mitteln zur Stimulierung der Wirtschaft müssen vor allem Unternehmen mit Tarifbindung zum Zuge kommen, denn das ist ein wichtiger Baustein für gute Arbeit. Und wir wollen wichtige Zukunftstechnologien fördern, etwa CO2-freie Mobilität.

Heißt: Für Elektroladesäulen gibt es Mittel, für Dieselmotoren nicht?

Staatliche Anreize für einen Ausbau der Ladeinfrastruktur kann ich mir gut vorstellen. Wichtig wäre allerdings, dass nicht nur Steuermittel fließen, sondern auch private Investitionen hinzukommen.

Kaufprämien für Autos mit Verbrennungsmotoren sind vom Tisch?

Ich bin nicht prinzipiell gegen solche Kaufprämien. Aber für jede Maßnahme gilt, dass sie zukunftsgerichtet ist und einen nachweisbar positiven Effekt auf die Umwelt haben muss.

Machen wir mal weiter mit Unionsblockaden von SPD-Lieblingsprojekten. Wann kommt die Grundrente?

Ich habe mich sehr darüber geärgert, dass die Union die erste Lesung der Grundrente so lange verzögert hat. Und jetzt kommt sie täglich mit neuen Argumenten zur Verhinderung der zweiten und dritten Lesung. Es wird ihr nichts nützen. Die Grundrente wird kommen. Punkt. Für Millionen Menschen, die ihr Leben lang zu geringen Löhnen gearbeitet haben, ist das eine Frage der Gerechtigkeit und des Respekts vor Lebensleistung. Man kann nicht auf der einen Seite Balkonreden über Beschäftigte mit geringen Einkommen in wichtigen Berufen halten und dann diese von einem Rechtsanspruch im Alter ausschließen. Ich appelliere an die Union, ihren Widerstand gegen die Grundrente endlich aufzugeben.

Wie geht es mit der dringend notwendigen Wahlrechtsreform weiter?

Wir dürfen die Lösung nicht auf den Sanktnimmerleinstag verschieben und müssen bis zum Sommer zu einer gemeinsamen Lösung kommen. Sonst erreichen wir voraussichtlich nicht mehr die nächste Wahl, was nicht passieren darf. Ich freue mich, dass die Opposition grundsätzlich offen ist für den Vorschlag der SPD, 2021 mit unserem Brückenmodell in die Wahl zu gehen. Das hat den großen Vorteil, dass es als einziges Modell eine sichere obere Grenze garantiert, was die Zahl der Abgeordneten im Bundestag betrifft. Wir müssen natürlich auch die Wahl 2025 im Blick haben, aber entscheidend ist jetzt 2021.

Wenn mit der Union keine Einigung möglich ist, sollte man dann nicht die Abstimmung im Bundestag freigeben, um eine Mehrheit über die Parteigrenzen hinweg zu ermöglichen?

Bei der Ausgestaltung des Wahlrechts sollten immer möglichst viele Fraktionen einig sein. Deswegen müssen alle auch bereit sein, Kompromisse zu machen. Was nicht sein kann, ist, dass bei einer Reform einseitig eine Partei profitiert und alle anderen Zugeständnisse machen müssen. Auf so einem Weg ist derzeit noch die CSU, deswegen kommen wir im Moment nur sehr mühsam weiter.

Beim Thema Europa ist die Union ja auf Ihren Kurs eingeschwenkt. Der jüngst von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron vorgeschlagene 500-Milliarden-Euro-Aufbaufonds ist im Grunde eine gemeinsame Schuldenhaftung, wie sie die SPD wollte.

Ich halte den europäischen Aufbaufonds für einen Paradigmenwechsel, dessen Bedeutung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Noch vor wenigen Wochen, als die SPD einen entsprechenden Vorstoß machte, kam aus CDU und CSU nur heftige Ablehnung. Und nun gibt es plötzlich die Chance auf ein großes gemeinsames Kreditprogramm, mit dem die EU ihren Mitgliedsländern bei der Pandemiebewältigung helfen und in ihre Zukunft investieren kann. Der Vorstoß hat das Potenzial, Europa insgesamt zu stärken und voranzubringen. Es ist gut, dass Frau Merkel ihre Totalblockade bei der Frage der Finanzierung durch eine gemeinsame europäische Verschuldung aufgegeben hat. Ich begrüße das sehr. Das ist endlich der Einsicht geschuldet, dass es Deutschland nicht gut gehen kann, wenn andere europäische Länder ökonomisch und sozial nicht auf die Beine kommen.

Haben Sie keine Befürchtung, dass die Haushaltsdisziplin in südlichen EU-Ländern durch die gemeinsamen Schulden leiden könnte?

Nein, die Befürchtung habe ich nicht. Für seine Staatsschulden haftet ja jedes Mitgliedsland weiter allein – und muss die entsprechenden Zinsen für seine Anleihen bezahlen. Wer sich da disziplinlos verhält, den kommt das teuer zu stehen. Das europäische Programm aber wird die EU als Gemeinschaft massiv stärken. Wenn mir vor einigen Monaten jemand gesagt hätte, dass die Regierungschefs eine solche wichtige Rolle der Kommission, und letztendlich dem Europäischen Parlament zubilligen, den hätte ich für realitätsfern gehalten. Die Korrektur der Unionsparteien war bitter nötig und die Überzeugungsarbeit erfolgreich.

 

 

 

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